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Gedenkkultur auf Irrwegen

Schimmelmann-Büste in Hamburg-Wandsbek kleinlaut abgebaut. Eine Veranstaltungsreihe beleuchtet Hintergründe des Hamburger Sklavenhandels. 3.9.08

 

Feierlich wurde die Schimmelmann-Büste im Puvogelgarten am 10.09.2006 eingeweiht, in Anwesenheit der Kultursenatorin Karin von Welck und des damaligen Wandsbeker Bezirksamtsleiter Gerhard Fuchs. Kleinlaut hat nun am 15.08.2008 der Leihgeber, der Konzern Imtech GmbH, das ehrende Denkmal für einen der größten Sklavenhändler der 18. Jahrhunderts aus dem öffentlichen Raum entfernt, unbemerkt und unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Über den bemerkenswerten Abbau wurde die Presse erst zwei Wochen später informiert.

 

 

Vor zwei Jahren hatte der Bezirksamtsleiter im Alleingang das Abbild Schimmelmanns aufstellen lassen - ohne die Hamburger Kunstkommission zu konsultieren, die für die Genehmigung von Denkmälern im öffentlichen Raum zuständig ist. Den Bronzekopf bezahlte in einem Public-Private-Partership-Arrangement die Firma Imtech, die gerade ihren Hauptsitz Deutschland in Wandsbek gebaut hatte. Dafür übergab das Bezirksamt dem Unternehmen als Dauerleihgabe die zwei steinernen Löwen, die von Schimmelmanns Wandsbeker Schloss stammen. Sie sind in der Empfangshalle von Imtech ausgestellt. Die Stadtbevölkerung muss sich mit Löwen-Duplikaten begnügen, die am Wandsbeker Markt stehen.

 

 

Das Sklavenhändler-Denkmal führte zu heftigen Protesten: besorgte StadtteilbewohnerInnen und engagierte BürgerInnen, NGOs und die Black Community Hamburg haben ihre Stimme gegen das Kolonialdenkmal erhoben und vor Ort demonstriert. KünstlerInnen haben im Rahmen von wandsbektransformance mehrfach im öffentlichen Raum interveniert. In der lokalen und bundesweiten Presse geriet das Schimmelmann-Abbild in die Negativschlagzeilen, und internationale Medien wunderten sich über Hamburgs unzeitgemäße Gedenkkultur.

 

 

Doch die regierende Bezirks-CDU hielt mit der FDP hartnäckig an der Büste fest. Erst in der Bezirksversammlung vom 03.07.08 wurde beschlossen, das umstrittene Denkmal am 1.10.08 endgültig aus dem Stadtraum zu entfernen.

 

Kulturausschusssitzung im Wandsbeker Bezirksamt

 

Und nun ist plötzlich der Bronze-Kopf in der Sommerpause verschwunden, der Verbleib unklar, wie eine Nachfrage beim Bezirksamt ergab. Die genauen Umstände des vorzeitigen Abbaus waren bei Imtech nicht zu erfahren. Sollte die mit obrigkeitlichem Gestus erfolgte Installation der Büste einen Sklavenhändler zur imageträchtigen Heimatfigur stilisieren, so sollte die klammheimliche Demontage nun offenbar eine angemessene Dokumentation dieses merkwürdigen Vorgangs verhindern. Forcierte Mythisierung und Verdrängung liegen nahe beieinander.

 

Es ist wohl ein einmaliges Ereignis in der Geschichte, dass ein Kolonialmonument, das - übrigens ohne Beteiligung der demokratischen Gremien - erst vor zwei Jahren amtlich in Auftrag gegeben und errichtet wurde, nun auf öffentlichen Druck und dem folgenden parlamentarischen Beschluss von Amts wegen wieder abgebaut wird. Aus dem Denkmal wird somit ein Zeitdokument, das es zu beleuchten gilt. Was bedeuten die Proteste, wie wirken sie auf öffentliche Bewusstwerdung? Welche Gedenkkultur brauchen wir? Wo ist die abgelegte Büste abgeblieben, wo kann sie kontextualisiert unterkommen?

 

Die 28.11.-30.11.2008 stattfindende Veranstaltungsreihe Schimmelmann > pp. Hamburg entfernt ein Kolonialmonument geht den Spuren der örtlichen kolonialen Mythen und der Denkmalerrichtung nach und fragt nach dem Grad der Sensibilisierung der Öffentlichkeit für eine postkoloniale Gedenkkultur. Sie stellt historische Bezüge her und präsentiert beteiligungsorientierte künstlerische Strategien. Mit Lesungen, Vorträgen und Filmen von Kunstschaffenden, KulturwissenschaftlerInnen und HistorikerInnen spürt sie ferner der Frage nach, wie künftig eine postkoloniale Gedenkkultur aussehen kann. Sie stellt Ideen und Konzepte für das Modellprojekt eines park postkolonial vor. Mehr Informationen zur Veranstaltungsreihe werden folgen.

 

 

mehr zu Schimmelmann, seinem Gedenken, den Nachfahren

und zum Konzern Imtech > www.ungesundleben.org/blog/?p=8

 

 

 

 

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